Theaterbericht |

Faust - Der Tragödie zweiter Teil

Leonie

Goethe ist einer der bedeutendsten Dichter in der deutschen Geschichte, seine Texte sind nicht immer einfach zu verstehen. Im Theater am Alten Markt ist aktuell eine sehr, sehr sehenswerte Inszenierung von Faust 2.

Faust 2 ist ein Drama aus fünf Akten mit in sich geschlossener Handlung, der Sinnzusammenhang zum ersten Teil von Faust ergibt aber sich erst aus dem Gesamtbild mit dem ersten Teil der Tragödie. Die Person Faust entwickelt sich im Vergleich zum ersten Teil weiter, indem er sich verschiedenen Tätigkeiten widmet. Er reist zusammen mit Mephisto durch die Zeiten und trifft in Troja auf die schöne Helena, sie erfinden für den Kaiser das Papiergeld und sind schließlich bei der Erschaffung des Homunkulus, des künstlichen Menschen dabei.

 

Die Inszenierung am Theater am Alten Markt von Dariusch Yazdkhasti und Konrad Kästner ist eine Mischung aus Schauspiel und Videokunst. Die an das die Wände und Türen des Bühnenbildes projizierten Videos sind nicht nur Hintergrund, sondern gleichzeitig auch Kommentar und Übersetzung des szenischen Spiels. Einige Szenen finden auch nur über Video statt, so zum Beispiel die Karnevalsszene im ersten Akt. Das Video zeigt die drei Schauspieler bei Karneval in Köln, zum Teil in den Kostümen des Abends, wie sie die Texte von Goethe in der betrunkenen Menge vortragen.
In einigen wenigen Momenten gibt es auch Monologe und Dialoge, die nicht aus Goethes Feder stammen so zum Beispiel, wenn die Erfindung des Papiergeldes in die Moderne übersetzt wird und Faust sich über die Sparpolitik und die schwarze Null beschwert oder die Sinnlosigkeit des menschlichen Daseins und der Wunsch, das Andere einen wahrnehmen mit dem Sammeln von Likes in sozialen Netzwerden in Verbindung gebracht wird. Ganz besonders ist auch ein Monolog von Henriette Nagel, während ihrer Verwandlung in den Homunkulus, es geht darum, dass der Mann ein „seelischer Krüppel ist“, der zu nichts nutze sich immer nur fragt, „ob er seinen Klempnerjob richtig macht“, daher sollte man nur noch Frauen reproduzieren.

 

Faust 2 ist, wenn man es nicht oder nicht gut kennt durchaus verwirrend und man fragt sich häufig, wo genau man jetzt gelandet ist und wer das denn nun schon wieder sein soll. Trotz des verwobenen Ausgangsmaterials schafft diese Inszenierung nicht nur die Übersetzung in die Moderne, sondern auch das zentrale Themen hängen bleiben mitunter durch die Hilfe der Videoprojektionen. Wenn Faust und Mephisto sich darüber unterhalten, dass schon wieder irgendwo Krieg ist, wenn ein künstlicher Mensch, ein Homunkulus geschaffen wird oder wenn es darum geht, dass auch Papiergeld nicht endlos einfach neu gedruckt werden kann, dann sind dies topaktuelle Themen. Auch die Vergänglichkeit von Schönheit und Natur, verdeutlicht an Bildern von endlosen Kilometern von Braunkohleabbaugebieten ein bewegendes Thema.

 

Henriette Nagel, Jan Hille und Thomas Wehling springen von Rolle zu Rolle und reißen das Publikum komplett mit hinein in Goethes labyrinthischen Welterklärungsversuch. Neben den beeindruckenden und bildgewaltigen Videoprojektionen auf den Türen und Wänden des Bühnenbildes, sind es aber vor allem die Energie und Ausstrahlungskraft von Nagel, Hille und Wehling die diese Inszenierung von Goethes Meisterwerk zu einem grandiosen Erlebnis modernen Theaters machen.

 

Zum allerletzten Mal kann diese wunderbare Inszenierung am Donnerstag den 4. Juli gesehen werden. Aktuell gibt es noch eine Restkarte unter: https://theater-bielefeld.de/veranstaltung/faust-2.html

 

Text: Leonie

Fotos: Theater Bielefeld